Behindertentestament nicht für Arbeitslose? 

09.08.2023 | Allgemein

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (NJW 1990, 2055) darf ein Erblasser sein Testament so gestalten, daß ein behinderter Abkömmling, der auf Sozialleistungen angewiesen ist, nur das bekommt, was auf die Sozialleistungen nicht angerechnet wird. Damit kann dem Behinderten etwas zugewiesen werden, auf das er sonst verzichten müßte, wie Urlaub und Kosten für Begleitperson, Konzertbesuche, Ausflüge, Weihnachtsgeschenke, Musik-CD’s, therapeutische Maßnahmen, Zahnersatz, Brille usw.

Geht das auch, wenn der Abkömmling von der Sozialhilfe, also Bürgergeld, lebt, ohne behindert zu sein? Das Sozialgericht Dortmund meint nein. Der Sozialhilfeempfänger müsse das Testament anfechten (ZEV 2010, 54), weil einiges dafür spreche, daß dieses sittenwidrig ist. Jedenfalls könne die Rechtsprechung des BGH zu den sogenannten Behindertentestamenten nicht ohne Weiteres auf den Arbeitslosen übertragen werden, denn dieser ist nicht behindert und bedurfte und bedarf nicht der besonderen Fürsorge seiner Mutter. Er sei vielmehr in der Lage, für sich selbst zu sorgen und – sofern er einen Arbeitsplatz findet – seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu fristen.

Das allein macht das Testament nach meiner Ansicht keineswegs sittenwidrig, denn aufgrund der Testierfreiheit ist niemand verpflichtet, für ein sorgenfreies Leben seines Nachwuchses zu sorgen, wenn dieser nicht arbeiten will. Aber hier wurde wohl etwas übertrieben. Wäre dem Sohn nur etwas mehr als der Pflichtteil zugewandt worden, hätte es nach meiner Auffassung funktionieren müssen. Hier war es aber so, daß der Sohn alleiniger Vorerbe war, über eine Wohnung mit 125 m² verfügte und noch Aktienbesitz hatte, wenn auch nur im Bereich des Schonvermögens. Da sei er jedenfalls nicht auf einen einstweiligen Rechtsschutz angewiesen, so daß es dem Gericht reichte, daß das Testament möglicherweise sittenwidrig war. Das war bei dieser Gestaltung, die ein Notar entworfen hatte, nicht völlig ausgeschlossen. 

Man darf es eben nicht übertreiben, möglich ist ein solches „Bedürftigentestament“ in Anlehnung an das Behindertentestament nach meiner Ansicht schon, wenn man Maß und Ziel beachtet. Das Behindertentestament ist aber vor allem deshalb nicht sittenwidrig, weil von Eltern nicht erwartet werden kann, daß sie die zuvörderst ihnen zukommende sittliche Verantwortung für das Wohl des Kindes dem Interesse der öffentlichen Hand an einer Teildeckung ihrer Kosten hintansetzten. Das muß man bei der Gestaltung eines „Bedürftigentestamentes“ beachten.